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Aktuelles aus dem Frauenhaus

Datum:

03.08.2024

Ort:

Neubrandenburg

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Der Nordkurier berichtet (Verfasserin: Lisa Gutzat)

Deshalb muss das Frauenhaus einige Schutzsuchende abweisen

In vielen Frauenhäusern Deutschlands herrscht Platzmangel. Auch in Neubrandenburg sind selten Plätze frei. Hier gibt es aber noch ein anderes Problem.

NEUBRANDENBURG - Körperlich eingeschränkte Frauen und Kinder bleiben in der Mecklenburgischen Seenplatte häuslicher Gewalt ausgesetzt. Denn das Frauen-und Kinderschutzhaus in Neubrandenburg sieht sich immer wieder gezwungen, Schutzsuchende mit Behinderung wegzuschicken. Der Grund: Das Schutzhaus ist nicht barrierefrei. Bundesweit kämpfen viele Frauenhäuser mit Problemen wie diesen. Immer wieder müssen Frauen und Kinder von Schutzhäusern wieder zurück zum gewalttätigen Partner oder gar in Obdachlosenheime geschickt werden, weil in den Einrichtungen Platzmangel herrscht.

In Neubrandenburg befindet sich mit insgesamt zwölf Plätzen das einzige Frauen- und Kinderschutzhaus in der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort gibt es zwar grundlegende Belegungsschwankungen, wie Leiterin Veronica Meyer (Name geändert) sagt. Das sei aber normal. Dennoch hat die Frauenhausleiterin den Eindruck, dass das Schutzhaus seit vergangenem Jahr immer eher voll war, sodass vermehrt Frauen schickt werden "Hier wird aber niemand im Regen stehen gelassen. Wir unterstützen in solchen Fällen dabei, einen anderen Frauenhausplatz Frauen, die wir ablehnen müssen, zu finden", versichert Veronica Meyer.

Doch ein viel größeres Problem sei gar nicht mal der Platzmangel, sondern die fehlende Barrierefreiheit im Frauenhaus sowie Personalmangel. „Wir mussten schon Frauen, die körperlich eingeschränkt waren, wegen der vielen Treppen ablehnen", sagt Meyer. „Wir können deswegen selbst die Plätze, die wir haben, nicht einmal in vollen Zügen ausreizen" fährt sie fort. Allgemein sei es für sie und ihr Team kein schönes Gefühl, wenn Frauen wieder weggeschickt werden müssen. Bereits seit 2019 suche der Neubrandenburger Verein Quo vadis, der der Träger des Frauenhauses ist, nach geeigneteren Räumlichkeiten, sagt Veronica Meyer. Bei der Suche gebe es zwar Hilfe von Stadt und Landkreis, doch eben leider keine feste Aussicht. An anderen Standorten Deutschlands bleibt jedoch das Problem des Platzmangels bestehen. Die Deutschland-Karte auf der Internetseite https://www.frauenhaus-suche.de zeigt überwiegend rote Punkte. Sie stehen für „Keine Aufnahme möglich". Nur wenige Punkte sind grün oder blau und signalisieren, dass eine Aufnahme oder gar eine Notaufnahme möglich ist. Andere Frauenhäuser sind grau markiert, weil sie keine Angaben zur Auslastung machen.

Die Neubrandenburger Frauenhausleiterin sieht die Schuld an den Problemen vor allem bei der Politik. Die Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, die sogenannte Istanbul-Konvention „vorbehaltlos und wirksam“ umzusetzen. Dabei handelt es sich um ein Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Zu den Maßnahmen der Konvention zählen beispielsweise der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe sowie der Ausbau des Hilfesystems für alle von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder. Doch davon kommt in vielen Frauenhäusern offenbar nichts an - auch in Neubrandenburg nicht. „Die Istanbul-Konvention ist in fast allen Punkten bislang nicht umgesetzt worden", stellt Veronica Meyer fest. „Wir wünschen uns, dass sie in vollen Zügen umgesetzt wird - oder mindestens in ersten Zügen“, betont sie.

Dabei erfasst die Polizei allein in Neubrandenburg immer wieder Fälle häuslicher Gewalt. 2023 wurden 81 Vorfälle registriert, davon waren in 64 Fällen Männer die Täter. „Es gibt wahrscheinlich ein großes Dunkelfeld von häuslicher Gewalt von Kindern, ihren Eltern, im Hause lebenden Großeltern oder Geschwistern gegenüber. Aber im Hellfeld betrachtet ist es sehr selten, dass es diesbezüglich Anzeigen gibt", betont die Polizei. In dieser Statistik werden zudem nur Gewaltdelikte gezählt, wenn die Betroffenen auch zusammen gewohnt haben.

Landesweit häufen sich Fälle von häuslicher Gewalt. Gab es 2016 noch rund 1500 erfasste Fälle in Mecklenburg-Vorpommern, waren es 2023 bereits fast 2100. Das zeigen Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik MV. Im vergangenen Jahr waren dabei rund 72 Prozent der Tatverdächtigen Männer. Auch wurden mehr nicht deutsche Verdächtige gezählt, der Anteil stieg von 12,9 Prozent (2016) auf 18,6 Prozent (2023).