Zeitgeschichtlicher Ablauf
1938
erwirbt die deutsche Wehrmacht das Gut Fünfeichen von der damaligen jüdischen Besitzerin Olga von Maltzahn
1939 am 12. September, Einlieferung der ersten polnischen Kriegsgefangenen. Bis Kriegsende sind in den Lagern 120 000 Gefangene aus zehn europäischen Staaten und den USA inhaftiert.
1941 wird im südlichen Teil des Lagergeländes das Lager für sowjetische Kriegsgefangene eingerichtet.
1945 am 28. April erreichen sowjetische Panzer das Kriegsgefangenenlager. Es wurde von dem deutschen Kommandanten des Stalag II A*¹, Hauptmann Menzel, dem Kommandeur der sowjetischen Panzereinheit, übergeben. Nach bisherigen Forschungsergebnissen sind in diesem Lager mindestens 5 100 sowjetische und 400 Kriegsgefangene anderer Nationalitäten ums Leben gekommen.
Von Mai bis September 1945 wurden das Lagergelände und die sogenannten Panzerkasernen für die Unterbringung befreiter Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter (Displaced Persons) bis zur ihrer Rücktransport in die Heimat als Repatriierungslager genutzt. Mit dem Freiwerden der Baracken nutzte der sowjetische Geheimdienst NKWD diese weiter und richtete das Speziallager Nr. 9 für die Internierung vorwiegend deutscher Personen ein, die verhaftet wurden, weil sie ehemals im Dienste des NS-Regimes standen und nun umerzogen werden sollten. Diese Umerziehung fand nie statt. Ebenso befanden sich unter den Häftlingen u.a. Personen, die gegen die Regelungen der Besatzungsmacht verstießen, Jugendliche unter Werwolf-Verdacht, Denunzierte.
Insgesamt waren hier zwischen 1945 und 1948 ca. 15 000 Personen interniert, von denen 4 900 an Krankheiten und Hunger verstarben.
1948 im Sommer
Von Juli bis September 1948 wurden 5 181 in die Freiheit entlassen. 2 800 Häftlinge verblieben im Lager, 2 600 von ihnen wurden in das ehemalige KZ Buchenwald, das Speziallager Nr. 2 weiterverlegt und verblieben dort bis zur Auflösung des Lagers 1950. Das restliche Kommando kam in das Speziallager Nr. 7, das ehemalige KZ Sachsenhausen.
Im November 1948 existierte das Lager nicht mehr.
1958-1961
Anlage einer Gedenkstätte zur Erinnerung an das Kriegsgefangenlager. Das Gelände war auf Grund der Nutzung durch die Nationale Volksarmee der DDR später öffentlich unzugänglich.
1990
Mitte März entdecken Mitarbeiter des Regionalmuseums Hinweisen aus der Bevölkerung folgend die Massengräber des NKWD-Lagers.
1991
26. April, offizielle Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen“ zur Aufarbeitung der Schicksale der Internierten des NKWD-Lagers. Die Arbeitsgemeinschaft und deren Mitglieder werden in den folgenden Jahren zahlreiche Veranstaltungen mit Betroffenen und ihren Angehörigen organisieren, Filmdokumentationen zu unterschiedlichen Themen initiieren und Führungen über das Lagergelände und Gespräche mit Zeitzeugen ermöglichen.
1993
Einweihung der neugestalteten Gedenkanlage. Das gestützte Kreuz im Eingangsbereich wird das Symbol der „Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen".
1996
Die Stadt und die Arbeitsgemeinschaft Fünfeichen erhalten die Namenslisten der Toten des NKWD-Lagers vom DRK. Diese liegen in russischer Sprache vor. Die Rückübertragung der Namen aus dem Russischen beginnt in einer privaten Initiative der Arbeitsgemeinschaft.
1999
November, Einweihung und Übergabe von 59 Bronzetafeln mit den Namen von 5.169 Toten des Lagers Fünfeichen am großen Gräberfeld im Wald von Fünfeichen. Durch Übertragungsfehler sind einige Namen doppelt auf den Tafeln zu finden.
2000
September, das Neubrandenburger Stadtarchiv erwirbt für die Stadt über einhundert Fotoreproduktionen vom russischen Staatsarchiv Moskau; es handelt sich um die bisher einzigen Aufnahmen aus einem NKWD-Lager, die bekannt wurden. Zwanzig ausgewählte Aufnahmen werden in dem Buch “Die Opfer von Fünfeichen – Gedanken und Erinnerungen” veröffentlicht; die Ansicht der kompletten Sammlung ist im Stadtarchiv nach vorheriger Anmeldung kurzfristig möglich.
2001
Dezember, das Stadtarchiv erhält vom russischen Staatsarchiv Mikrofiches der beiden Lagerzugangsjournale, die die Listen mit fast 15 000 Namen der Internierten enthalten. Anfragen zu Vermissten können unter Angabe der Namen, Vornamen und des Geburtsjahres schriftlich, per Fax oder E-Mail an das Neubrandenburger Stadtarchiv gerichtet werden. Eine professionelle Rückübertragung der Namen aus dem Russischen beginnt. Diese Arbeit ist 2004 abgeschlossen.
2007
Im April wird das Bronzemodell des ehemaligen Lagergeländes enthüllt. Es macht unterschiedliche Nutzungsphasen durch die deutsche Wehrmacht und das sowjetische NKWD sichtbar.
2008
Am Rande der Gedenkstätte wird zu Ehren der Verstorbenen eine Totenglocke geweiht. Diese stammt aus dem alten Glockenstuhl der Marienkirche.
2012
wird auch für die Lager in Fünfeichen ein Lehrpfad entwickelt. An verschiedenen Stellen sind zweisprachige Stelen installiert, die auf die historische Bedeutung hinweisen und so den authentischen Ort lebendig werden lassen.
2015
Am 9. Mai 2015 erhalten auch die Verstorbenen der Kriegsgefangenenlager ihre Namen zurück. Ein seit 2007 laufendes Forschungsprojekt des Stadtarchivs kommt damit zum vorläufigen Abschluss.
Die Namen von über 400 toten Soldaten und Offizieren aus neun Staaten und über 5 100 verstorbene Rotarmisten aus der ehemaligen Sowjetunion sind auf Namenstafeln zu lesen.
*1 Stalag II A: Stammlager, Wehrkreis II, Lager A
*2 NKWD: Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten der UdSSR