Zusätzliche Wohnungen in den Städten schaffen - Maßnahmenbündel notwendig
Die Städte appellieren an Bund und Länder, sich gegen die Krise im Wohnungsbau zu stemmen und schlagen ein kurzfristiges Maßnahmenbündel vor. Dabei komme es nicht nur auf mehr Neubau an, auch Bestandswohnungen müssten als Sozialwohnungen nutzbar gemacht und Wohnraum durch Wohnungstausch besser verteilt werden. Nach einer Sitzung des Präsidiums des Deutschen Städtetages in Neubrandenburg sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster:
„Immer weniger Sozialwohnungen, drastisch steigende Baukosten und eine hohe Nachfrage sind eine gefährliche Mischung. Der Wohnungsbau legt gerade eine Vollbremsung hin, weil es sich derzeit für niemanden rechnet, neue Häuser oder Wohnungen zu bauen. Dieser Mangel trifft viele. Studierende, Alleinerziehende mit Kindern, geflüchtete Familien, aber auch Menschen mit mittlerem Einkommen finden kaum eine bezahlbare neue Wohnung. Mit Neubau allein lässt sich das Problem nicht lösen, auch Bestandswohnungen müssen in den Blick genommen werden. Außerdem müssen Bund und Länder bessere Rahmenbedingungen schaffen und auch mit finanziellen Mitteln dagegen steuern, um eine Kehrtwende zu schaffen.“
Steigende Baukosten, Lieferkettenprobleme, Inflation, Zinsanstieg sowie die große Nachfrage nach kleinen Wohnungen durch immer mehr Einzelhaushalte sind Ursachen für Wohnungsmangel und stockenden Wohnungsbau. Viele Projekte sind unter diesen Rahmenbedingungen für Investoren und private Bauwillige nicht mehr realisierbar. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im ersten Halbjahr 2023 ist um gut 27 Prozent eingebrochen und die Krise verschärft sich von Tag zu Tag. 2022 sind lediglich 22.500 neue Sozialwohnungen fertiggestellt worden, kaum ein Viertel des politischen Ziels der Bundesregierung. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach günstigem Wohnraum enorm – auch durch Flucht und Migration.
„Die Städte ziehen alle Register. Sie stellen Bauland bereit, sorgen für Nachverdichtung, haben Baulandmodelle zur sozialgerechten Bodennutzung entwickelt schließen mit Investoren städtebauliche Verträge, verabreden Sozialbindungen und unterstützen Genossenschaften. Alle haben wir das Ziel, das Wohnen für einkommensschwache Haushalte erschwinglich zu halten – trotz steigender Mieten und sinkendem Sozialwohnungsbestand. Aber mit dem vorhandenen Instrumentarium laufen wir immer häufiger ins Leere. Deshalb müssen Bund und Länder kurzfristige Lösungen neu prüfen und umsetzen. Die Regelungen zum Vorkaufsrecht sollten überarbeitet und das Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten zum Quartierschutz wieder anwendbar gemacht werden. Außerdem müssen Bestandswohnungen häufiger als Sozialwohnungen nutzbar gemacht und bereits vorhandener Wohnraum durch Wohnungstausch besser verteilt werden. Dafür brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel, damit die Städte wieder handlungsfähig werden“, forderte Lewe.
In den Städten leben etwa 15 Prozent der Menschen in zu kleinen, überbelegten Wohnungen. Gleichzeitig leben vor allem ältere Menschen in sehr großen Wohnungen. Ein Umzug unter Neuvermietungsbedingungen lohnt sich für sie nicht und bremst kommunale Initiativen zum Wohnungstausch aus. Instrumente für eine bessere Verteilung bezahlbaren Wohnraums sollten geprüft werden. Lösungen können eine Fehlbelegungsabgabe oder auch Anreize zum Wohnungstausch sein.
Der Königsweg für mehr Wohnungsbau bleibe, Bauland im Schulterschluss von Städten, Grundstückseigentümern sowie Projektträgern zu entwickeln. Falls das nicht gelinge, müssten die Städte aber praxisnah handeln können. „Das Baugebot muss bei der anstehenden Novelle des Baugesetzbuches konsequent vereinfacht und praxisgerecht ausgestaltet werden. Außerdem brauchen wir Investitionszuschüsse für Wohnungsbauträger, die dazu beitragen, die von der Bundesregierung ins Auge gefassten 100.000 Sozialwohnungen zu errichten. Allein auf die steuerliche Abschreibung im Wohnungsbau zu setzen, garantiert nicht, dass an den richtigen Standorten die passenden Wohnungen errichtet werden. Zudem wäre die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft außen vor, da sie ohne Gewinne nichts abschreiben können“, so Lewe.
Konkrete Maßnahmen für mehr Wohnungen sind:
- Baugebot vereinfachen und bereits erprobtes Innenentwicklungsmaßnahmengebiet (IEM) im Baugesetzbuch ergänzen, damit im Stadtgebiet verteilte, ungenutzte Flächen endlich bebaut werden (Maßnahme des Bündnisses für „Bezahlbares Wohnen und Bauen“).
- deutlich mehr Mittel von Bund und Ländern für sozialen Wohnungsbau. Investitionszuschüsse für Wohnungsbauträger, die Sozialwohnungen errichten, für das Ziel von jährlich 100.000 Sozialwohnungen.
- Vorkaufsrechte auf alle Grundstücke im Gemeindegebiet ausweiten sowie Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten zum Quartiersschutz wieder rechtssicher ausgestalten.
- Leerlaufen des Vorkaufsrechts bei Grundstücksübertragungen in Share Deals beenden.
- optionale Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe für Sozialwohnungen prüfen (Beispiel Hessen und Rheinland-Pfalz).
- effektivere Instrumente zur besseren Verteilung von Bestandswohnungen finden, stärkere Anreize zum Wohnungstausch setzen.
Quelle: Deutscher Städtetag nach einer Sitzung des Präsidiums in Neubrandenburg